... Ausgehend vom Gegenständlichen gelangt Ingo Kraft durch eine äusserst disziplinierte und durchdachte Folge von Arbeitsschritten zu immer klareren Abstraktionen. Der Schritt ins Ungegenständliche bedeutet für ihn einerseits Überwindung, ja Trennung vom figürlichen Gestalten und andererseits das Aufgreifen und Befestigen eines neuen Formenkanons der “gedachten Realität”.
Die Bildmittel haben für Ingo Kraft den Vorrang vor dem Bildgegenstand. Beobachtungen in der Realität dienen ihm zur Reflexion und Erkenntnis, zur Verallgemeinerung, nicht zum widerspiegelnden Abbild. Es beherrscht ihn die “Vorstellung von der Konstruktion als einheitsstiftendes Prinzip im Sinne des Kubismus”. Neben Georges Braque und dessen analytischer Verfahrensweise ist es das phantasievolle Werk von Paul Klee, mit dem er sich intensiv auseinandergesetzt hat.
Zwei ebenso völlig gegensätzliche Künstlerpersönlichkeiten der Gegenwart sind für ihn wichtige Anreger und Impulsgeber: der frei und souverän das Spielerische zwischen Irrealität und Realität beherrschende Grafiker Dieter Goltzsche und Günther Hornig, der Lehrer und Ateliernachbar, der ihn anregte zur Auseinandersetzung mit der klassischen Formenwelt der ungegenständlichen Malerei.
Ingo Kraft arbeitet in Serien. Vorangegangene Erkenntnisse werden in Folgen weiterentwickelt. Es entsteht die Meditation über das Bild im Bild, die serielle Wiederholung bestimmter Elemente über ein Raster aus Quadraten, die jedoch immer wieder durch strukturelle Elemente verschiedenster Art spannungsvoll überlagert werden. In freien Kompositionen werden Reihungen abgewandelt in gänzlich von der Realität losgelöste, reine Strukturen. Diese wiederum wecken Erinnerungen an Erlebtes, Ertastetes, Florales, Atmosphärisches, Organisches ....
aus: Bautzener Kunstpreis 2001 - Ingo Kraft
Das malerisch Typische Krafts ist sein Spiel mit Tonwerten und
Nuancen, besonders mit seinem Blau,das chromatisch abgestuft ist.Kraft feiert das Fest der Farben mit klug gewählten Bildaufbauten.In der Geschlossenheit des Bildes zeigt sich der Bühnenbildner, der Gestalter,der aus dem Rohmaterial formt. Eines der dabei gestaltbildenden Momente ist das Boot, oft am Strand
oder auf dem Meer ("Winterregatta"), als Solitär oder in
"Familie".Dort, wo man es nicht sehen kann, tritt an seine Stelle das Segel, das über das Bild zu ziehen scheint und eine Botschaft herüber bringen will. Die Mystik Johannes Taulers nimmt das Segel als Gleichnis für die Liebe, mit welcher der Mensch sicher durch das Leben fährt. Für Kraft ist es wohl eher ein Zeichen seiner Sehnsucht, für den Betrachter dagegen ein wohltuender Blickfang, der in den Bildern wie ein Leitmotiv wirkt.
H. Weißflog in Dresdner Neueste Nachrichten, 1. März 2006
Boote, Früchte, Häuser, Städte, Landschaften. Der Blick bleibt hängen an diesen Bildern, doch es ist weniger der Gegenstand, das Objekt, das Sujet, was die Aufmerksamkeit fesselt, sondern die Atmosphäre, die Stimmung, die Struktur. Ob wir vor den Gouachen von Ingo Kraft stehen, vor seinen Ölbildern oder den Fotoübermalungen, der Grundeindruck ist ähnlich: Diese Blätter oder Leinwände ziehen auf geradezu magische Weise unsere Aufmerksamkeit auf sich. Doch sie geben sich nicht preis, sie befriedigen keine Neugier, bieten keine Lösung, es sind Bilder mit Geheimnissen.
"Zeichenhafte Verknappung" hat ihnen schon vor Jahren der Dresdner
Kunsthistoriker Hans-Ullrich Lehmann bescheinigt,"signalhafte Wirkung"
und zunehmend "südliches Licht". Dieser lichte Eindruck ist in der
Ausstellung bei Kühl allgegenwärtig: von Blatt 16 der Folge "Nachgelassene Landschaften von 1991 über den 1999 überarbeiteten "Schneerand" von 1992 oder"Am Meer" von 1995/96 bis hin zu "Collioure" von 2005. Besagtes Bild schwimmt in hellen Bleu-und Rosétönen und bezeichnet jenen Ort am Fuße der Pyrenänen,
der durch Matisse und Derain berühmt wurde, die einst dort arbeiteten.
Auch Ingo Kraft war dort, auch ihn muss das Licht im Süden Frankreichs
fasziniert haben, das die Konturen zerfließen, zerflimmern lässt.Nicht dass es den Bildern an Festigkeit mangeln würde, die aber liegt darunter, die Spannung ist nur zu ahnen. Vielleicht ist das die Seele von Ingo Krafts Bildern, das Wesen seiner Kunst: dass hinter dem Anschein der zarten Oberfläche und der filigranen Struktur sich eine Basis spannt, dass unter der Leichtigkeit überaus stabiler Grund ist.
Jens-Uwe Sommerschuh
in Sächische Zeitung Dresden, März 2006